Vom Patenkind zum Bischof: hoher Besuch aus Bangladesch bei der Kindernothilfe
Text: Gunhild Aiyub, Fotos: Ralf Krämer
Dass Kindernothilfe-Mitarbeitende in Partnerländern ehemalige Patenkinder treffen, kommt hin und wieder vor. Aber dass diese zu uns in die Geschäftsstelle kommen, ist doch sehr, sehr selten der Fall. Umso größer war die Freude, als sich im September gleich zwei von ihnen ankündigten – und sie brachten auch noch den Sohn eines weiteren ehemaligen Patenkindes mit!
Bischof Samuel S. Mankhin, seine Frau Monita und Reverend John Probhudan Hira waren wegen der Vollversammlung des Ökumenischen Weltkirchenrats aus Bangladesch nach Karlsruhe gereist. Dort kamen sie auch am Kindernothilfe-Stand vorbei, der ganz prominent in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang des Karlsruher Kongress-Geländes positioniert war. Bischof Mankhin war schon mit der Absicht nach Deutschland gekommen, auf jeden Fall die Geschäftsstelle zu besuchen, um sich persönlich zu bedanken. „Ohne die Unterstützung meiner Paten und der Kindernothilfe wäre ich heute nicht in der Position, die ich erreicht habe“, sagt er. Seiner kleinen Gruppe hatte sich noch Peter angeschlossen, der aus derselben Gemeinde wie die anderen stammt und in Göttingen studiert. Sein Vater hatte ebenfalls das Patenschaftsprogramm durchlaufen und leitet heute das Christian Mission Hospital Rajshahi. Die Gruppe ließ sich von der Standbesetzung erklären, wie sie nach Duisburg-Buchholz kamen, und stand dann am nächsten Tag bei uns vor der Tür.
Bischof Samuel S. Mankhin ist heute das Oberhaupt der Church of Bangladesch
Die Kindernothilfe begann 1973, über einheimische kirchliche Partner Kinder aus armen Familien zu unterstützen – vornehmlich durch die Unterbringung in Hostels. In vielen Dörfern gab es keine Schulen, und die Wege zur Schule in der nächsten Stadt waren viel zu weit. Deshalb eröffnete die Kindernothilfe mit ihren Partnern Hostels, Wohnheime für Mädchen und Jungen, wo sie während der Schulzeit leben und lernen konnten. Bischof Mankhin gehörte zu den allerersten Schülern, die im St. Andrew's Boys Hotel in Haluaghat im Distrikt Mymensingh aufgenommen wurden.
„Ich war bis 1983 in diesem Hostel“, erzählt der 59-Jährige. „Die Situation in Bangladesch nach dem Befreiungskrieg 1971 war sehr schlimm. (Damals kämpfte Ostpakistan erfolgreich um die Loslösung von Westpakistan und nannte sich fortan Bangladesch.) Viele Kinder hatten keinen Zugang zu Bildung, Ich hatte meinen Vater verloren und stammte aus einer armen Familie. Das St. Andrew‘s Boys Hostel war die einzige Bildungschance für Jungen in unserer Region. Unter Tausenden von Kindern wurde ich von unserem Priester ausgewählt und im Hostel aufgenommen. Ich hatte Glück, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe. Sonst wäre mein Leben anders verlaufen.“
Woran erinnert er sich heute noch, wenn er an diese Zeit zurückdenkt? „Es gab glückliche Momente“, sagt Bischof Mankhin, ohne lange zu überlegen. „Wir haben zusammen gespielt, zusammen gelebt, sind zusammen zur Schule gegangen. Und“, er lacht, „wir liebten das Essen! Wir waren ja noch im Wachstumsalter. Wir haben alles verschlungen, was wir bekommen konnten.“ Als er in der 7. oder 8. Klasse war, bekam er Gelbfieber, was bis heute tödlich enden kann. „Ich wäre fast gestorben! Aber Gott hat mich überleben lassen. Ich bekam die beste medizinische Behandlung, die man sich denken kann, und auch unser Hostelleiter kümmerte sich rührend um mich.“
Samuel S. Mankhin studierte an der Universität von Dhaka und machte seinen Bachelor of Divinity am Senate of Serampore College in Indien. Er wurde zum Pfarrer ordiniert, dann zum Bischof und ist heute das Oberhaupt der Church of Bangladesch. Damit ist er einer der ersten Bischöfe unter den Kindernothilfe-Patenkindern! „Darüber hinaus bin ich Sekretär des Lenkungsausschusses der Global South Fellowship of Anglicans, in der 25 Erzbischöfe weltweit tätig sind (ein Zusammenschluss anglikanischer Kirchen)“, zählt der Bischof auf. „Außerdem Präsident des Nationalen Kirchenrates von Bangladesch, Vorsitzender aller kirchlichen Krankenhäuser und Entwicklungsprojekte landesweit, von 24 Grund- und Oberschulen und der theologischen Hochschule.“ Und worauf er besonders stolz ist: „Unsere Kirche hat es geschafft, finanziell unabhängig von Geldgebern zu werden!“
Der Kontakt zu seinen Pateneltern besteht nicht mehr, was der 59-Jährige sehr bedauert. „Ich weiß leider nicht, ob sie noch leben. Sie haben mit bei meiner Ausbildung geholfen, und dafür bin ich ihnen so dankbar!“
Monita Mankhin leitet heute eine Gemeinschaft von 2.000 Frauen
Bischof Mankhins Frau Monita (geb. Chambogong) verbrachte im selben Ort wie ihr Mann 14 Jahre in einem Kindernothilfe-Hostel, und zwar im Mary's Girls Hostel. „Meine Eltern waren tot. Mein Onkel, er ist mittlerweile ebenfalls gestorben, erzählte damals dem Bischof im Ort von mir. Er meinte, ich wäre talentiert, und falls es eine Chance gäbe, mich in dem Hostel aufzunehmen, wäre das sicherlich gut für meine Zukunft. 1974 wurde ich tatsächlich aufgenommen und konnte zur Schule gehen.“
Monita Chambogong machte an der Universität von Dhaka ihren Bachelor im Fach Pädagogik und arbeitete danach zehn Jahre lang als Leiterin einer weiterführenden Schule mit 1.600 Schülerinnen und Schülern aller Glaubensrichtungen. Anschließend wurde sie Bildungskoordinatorin der Synode der Kirche von Bangladesch. „Ich habe mich um 34 Grund- und einige weiterführende Schulen sowie rund 5.000 Kinder und Jugendliche gekümmert und fast 100 Lehrerinnen und Lehrer angeleitet“, erklärt die 58-Jährige. „Zurzeit leite ich eine Gemeinschaft, zu der 2.000 Mütter und Frauen gehören. Ich bin Gott und der Kindernothilfe sehr dankbar! Ohne diese Hilfe hätte ich meine Ausbildung nicht abschließen und es bis zu meiner heutigen Position bringen können. Besonders dankbar bin ich meinen Pateneltern, Otto und Margarete, deren Nachnamen ich leider nicht kenne.“
Monita und Samuel Mankhin haben zwei Kinder, einen 30-jährigen Sohn und eine 28-jährige Tochter.
Peters Vater Prodip Chand Mandal engagiert sich aus Dankbarkeit für die Hilfe für soziale Projekte
Auch Peters Vater Prodip Chand Mandal war ein Patenkind. "Mein Vater kommt aus einer sehr armen Familie", erzählt Peter. "Dass mein Vater zur Schule gehen konnte, verdankt er der Kindernothilfe, ohne die Kindernothilfe wäre das gar nicht möglich gewesen. Durch sein Beispiel kann ich verstehen, wie die Kindernothilfe den Mädchen und Jungen hilft, sie aufzuklären."
Prodip Chand Mandal ist seit seiner Kindheit ein Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft bei WM-Spielen. Sein Sohn hält zur brasilianischen Fußballnationalmannschaft. "Wir haben in Bangladesch keine Fußballmannschaft, die auf internationalem Niveau mithalten kann“, erklärt Peter. „Ich fragte meinen Vater: 'Warum bist du ein Fan der deutschen Fußballmannschaft?' Und er antwortete: 'Ich habe meine berufliche Position durch einen deutschen Verein erreicht.' Auch seine Entscheidung, mich zum Studium nach Deutschland zu schicken, hängt damit zusammen. Er hat immer diesen einen Gedanken im Kopf: 'Was ich heute bin, verdanke ich der Kindernothilfe aus Deutschland!' Sein großer Traum ist es, dass er eines Tages auch das Büro hier besuchen kann. In der Online-Information über das Krankenhaus, das er leitet, hat er auch die Kindernothilfe erwähnt."
Und richtig, auf der Homepage des Krankenhauses in Rajshah erzählt uns Prodip Chand Mandal: "Ich wurde hauptsächlich im Rahmen des Patenschaftsprogramms der Kindernothilfe ausgebildet. Aus Dankbarkeit habe ich mein ganzes Berufsleben lang in verschiedenen Projekten und humanitären Diensten der Kirche mitgearbeitet."
Prodip Chand Mandal studierte in London und machte dort seinen Abschluss als Master of Business Administration mit Schwerpunkt auf internationaler Wirtschaft und Entwicklungsökonomie. Anschließend arbeitete er als Projektkoordinator des Qualitätsentwicklungsprojekts für die Hochschulbildung an der Universität Jahangirnagar. Im November wurde er an das christliche Missionshospital geschickt, dessen Direktor er ein Jahr später wurde. Das Krankenhaus bietet Dienstleistungen für die Menschen in Rajshahi, den umliegenden Dorfgemeinschaften und Bezirken an. Die primäre Gesundheitsfürsorge kümmert sich besonders um Menschen am Rande der Gesellschaft. Eine der Hauptzielgruppen ist die indigene Bevölkerung.
Sein Sohn Peter studiert Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen, seine Tochter Victoria wird dieses Jahr in Dhaka ihren Bachelor of Science-Krankenpflegekurs abschließen.